Musikkapelle B�hlerzell

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1761 bis 1803

Fast alle Musikkapellen mit einer langen Tradition haben sich aus Kirchenmusikern oder Turmbläsern entwickelt, so auch in Bühlerzell.

Es ist ungewöhnlich, dass in einer kleinen Kirchengemeinde wie Bühlerzell aufwändig musikalisch gestaltete heilige Messen gehalten wurden, bei  denen Kirchensänger,  Kirchenmusikanten oder Chor-Musikanten zusammen  so genannte figurierte Ämter gestaltet haben. 

Kurz nach der Zeit der Aufklärung, in deren Verlauf die Kirche einen massiven Rückgang der Kirchenbesucher zu beklagen hatte, war dies wohl der Versuch, durch eine aufwändigere Gestaltung des Gottesdienstes mehr Leute  zum Kirchgang zu bewegen. Als Instrumente dieser „Tonkünstler“ kamen Klarinetten einfacher Bauart (ohne Klappen), Fagotte, Hörner, Zinken, Posaunen und Geigen in Frage. 

Die erste Erwähnung über Kirchenmusiker in Bühlerzell findet sich in den Akten des Staatsarchives in Ludwigsburg B 407 I Büschel 1. Es ist das Bittgesuch vom 9. März 1761 an den Fürstprobst Anton Ignatius Fugger in Ellwangen und lautet (Auszug): 

An ihro des heyl. Röm. Reichs Fürsten Probst und Herrn zu Ellwangen
Hochfürstliche gnaden
Unterthänigste Bitten
Franz Joseph Schremsinger
Bernhard Spresser et consorten zu Bühlerzell
(Posteingangsvermerk) in e(mpfang): a: 9.Mart. 1761

Hochwürdigster des heyl. Röm. Reichs Fürst gnädigster Fürst und Herr Herr!
Euer hochfürstl. Gnaden geruhen gnädigst höchst derselben in tiefster unterthänigkeit gehorsamst vorstellen zu dürfen., daß ehedessen in dem gotteshaus und pfarrkirchen zu Bühlerzell an fest- sonn- und feyertägen während dem Gottesdienst in der frühe nur teutsche lieder abgesungen worden, da nun aber wir unterthänigste supplicanten in der music uns dergestalten perfectioniert wissen. Daß wir durch angewandten fleiß noch mehrere dahin in der music so weit gebracht, daß mit 6 personen ein musicalisches amt..…… kann abgehalten werden. Wann nun diese absicht die beförderung der ehre gottes betrifft……. als gelanget an Euer Hochfürstl. Gnaden unsere unterthänigst-gehorsamst und angelegentlichstes bitten, höchst dieselbe gnädigst geruhen wollen, in anbetracht dieses gottgefälligen werks, uns samtlichen 6 personen was höchst selbst gnädigst beliebiges alljährlichen an gedeyen zu lassen. Zu gnädigster erhör:
Euer hochfürstliche gnaden
Unterthänigst gehorsamster
Franz Joseph Schremsinger Schreiner
Und Bernhard Spresser et consorten

Dieses Bittgesuch leitete der Amtmann der Tannenburg an die Fürstpropstei Ellwangen weiter. Von dort wurde die Zahlung der 4 Gulden „auf widerrufen“ angeordnet. Nachdem 1762 wohl kein Geld eingegangen war, bat der Schulmeister Bernhard Spresser im Februar 1763 erneut um die Zahlung der 4 Gulden.

„Unterthänigst pro Memoria! (Unterthänigst zur Erinnerung) Bernhard Spresser Schulmeister von Bühlerzell stellet unterthänigst vor, wie er sich alle erdenkliche Mühe gebe den Gottesdienst daßiger Kirchen an Sonn- und Feyertagen mit einer aufzuführenden Musique in so Besseres Ansehen zu erhalten, Hiebey aber ieder  weylen der Abmangel der Musicanten erscheine weylen selbe keine Belohnung davon zu gewärtigen hätten.

Also wolle Er unterthänigst Bitten, daß doch von der Oberfischacher Heyligen Pflegschaft so viel hiezu herfließend gemacht werden möchte, womit denen 6 Nöthigsten Musicanten eine Erkantlichkeit jährlich zugeeignet werden könnte. Zu gnädigster Erhör“

Nach einem kurzen Briefwechsel erfolgte von der Fürstprobstei in Ellwangen die Anweisung die 4 Gulden künftig immer auszubezahlen, was auch der Fall war bis zur Säkularisation im Jahre 1802. Aus einem Schreiben der Ellwanger Regierung vom 2. September 1765 an den Bühlerzeller Pfarrer Erhard geht hervor, dass die Musikanten nicht nur bei der Messe, sondern auch in den Wirtshäusern spielten.

Es ist davon auszugehen, dass es sich dabei um dieselben Personen handelte. Musikanten und Wirtshäuser sind in ihrer Verbindung ein idealer Nährboden wider der von der Kirche gesetzten Ordnung, zumal dabei Walz- und Schleifertänze aufgeführt wurden. Der Walzer kam erst wenige Jahre zuvor in Wien in Mode und wurde hauptsächlich von Leuten getanzt, die den aufklärerischen Ansichten zugetan waren.

Nachdem es bis dahin nur Schreittänze wie Menuett gegeben hatte, hatten die Tanzenden beim Walzer ständigen Körperkontakt und beim schnellen Drehen waren „sogar die Knöchel der Frauen“ zu sehen. Der Wiener Walzer war Ausdruck des neuen Geistes und wurde deshalb von der Obrigkeit abgelehnt. Wenn also der neue „Dreivierteltakt“ aufgespielt wurde und die Burschen die Mädchen zum Tanz aufforderten war man in Bühlerzell, entgegen der Meinung der Regierenden, damals schon „Up to date“! So sah sich die Regierung in Ellwangen gezwungen die Musikanten in Bühlerzell durch folgendes Schreiben zur Ordnung zu rufen (Auszug):

Welcher Gestalten die Gott und Seinem Heyligen Dienst gewidmete Sonn- und besonders zu feyern gebottene hohe Festtäge sowohl in hiesig Hochfürstl Residenz Statt als auch auf dem Land mit üppigen Aufspiehlen Tänzen und springen auf eine recht ärgerliche Art entheiliget, und durch viele anderen sündhaften Unordnungen Thür und Thor geöffnet, der göttliche Segen aber unwidersprechlich entfernet werde, und wir dieses außerordentliche Aufspielen und Tanzen durch ergangenen Generaldecreten Berichths mehrmahlen ernstlich verbothen worden seye,,,,,,,als wird hiermit gnädig und ernstlich befehlen, dass in Zukunft mit Ausnahme deren Kirchweyhen und Markttägen…… alles Musiciren und Tanzen in denen Wirtshäußeren und bey sonstig offentlichen Zusammenkünften gänzlich eingestellet seyn und unterbleiben , auf den Übrigen Feyrtägen des Jahrs zwar aber eine ehrbare Music und Tanz, jedoch nicht ehender als nach geendigten offentlichen Andachten und Nachmittägigen Gottesdienst, mithin von 5 Uhr bis 10 Uhr im Sommer, im Winther hingegen bis 9 Uhr verstattet ….…

Höchst bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang die Unterscheidung der Ellwanger Regierung zwischen ehrbarer und weniger ehrbarer, sprich unanständiger Musik, denn in dem Schreiben heißt es weiter: … darbey aber die ärgerliche Walz- und Schleiffer Tänze ein für allemal gänzlich verbotten seyn und bleiben sollen.

Dies ist einer der ältesten Nachweise für den Walzertanz auf dem Lande überhaupt (!). 1795 kam ein neuer Spielmann in die Gemeinde. Michael Deiß aus Schächingen spielte bereits nach kurzer Zeit als Vorspieler auf. Vorspieler war der, der die Stücke einübte (vorspielte), also ein Vorläufer der heutigen Dirigenten. Leider hörten mit der Säkularisation die Zahlungen auf, aber man kann annehmen, dass die Kirchenmusik darüber hinaus weitergeführt wurde.

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